Ständchen für Rees Gwerder

 'Tages Anzeiger' vom 30. Juli 1996

 

Einer der letzten „Stegreifler“ der Schweiz feiert in Arth seinen 85. Geburtstag: Rees Gwerder - einer der letzten „Stegreifler“ unseres Landes, der urtümlichste Schwyzerörgeli-Musikant landauf, landab - vollendet an diesem 30. Juli sein 85. Lebensjahr. Dem gebürtigen Muotathaler - und Bisisthaler obendrein - bringen langjährige Spielkollegen und Freunde in Arth SZ, wo er seit 1945 wohnhaft ist, heute Dienstagabend um 18.30 Uhr ein Geburtstagsständchen.

Zürich/Arth. - „Dr Eigeler“ - so sein Muotathaler Übername - ist eine der markantesten Musikerpersönlichkeiten unseres Landes. Der unbeirrbare, knorrige Traditionalist der Schweizer Volksmusik hat in seiner urchigen und direkten Spielweise unzählige heitere „Tänzli“- denen laut „Schweizer Lexikon“ altüberlieferte Muotathaler Melodien zugrunde liegen - an uns weitergegeben. Gwerder ist ein strikter „Stegreifler“, er kennt keine Noten, und er will auch nichts davon wissen. Noch heute spielt er ein altes „Stückli“, das er selber mit fünf Jahren vom Vater hörte, mit der gleichen Selbstverständlichkeit und Freude „wie duezmal“ vor 80 Jahren.

65 Jahre lang spielte er zum Tanz auf

Bereits mit 15 Jahren beherrschte er an die 100 Tanzstücke. Am Fasnachtsmontag anno 1930 spielte er erstmals öffentlich zum Tanze auf. Er konnte ein Repertoire von rund 250 Tänze  vortragen, wovon über 100 Titel auf Tonträger aufgenommen wurden. Mit 80 Jahren machte er seine letzten Tonaufnahmen. 1995 trat er das letzte Mal öffentlich auf. Somit hat er während rund 65 Jahren zum Tanze aufgespielt. Es gibt wohl kaum einen Schwyzerörgeler, der so viele Stunden musiziert hat.

Um die traditionelle Innerschweizer Volksmusik zu hegen und pflegen und künftigen Generationen zu erhalten, erteilte er auch Schwyzerörgelistunden und -kurse - obwohl „dr Eigeler“ es wohl nicht gelten liesse, wenn so hochgestochen von seinem Wirken gesprochen würde, wie sein Produzent Cyrill Schläpfer vermutet, der ihn - als Schüler und Freund - seit 1989 fast jede Woche besucht und 1993 mit dem berückenden wie anrührenden Klanglandschaftsfilm „Ur-Musig“ auch sein Kinoherold geworden ist.

Echo vom Geisshimmel

Selten kann ein Schweizer Volksmusikant eine solch grosse Diskographie aufweisen wie der Schwyzer Bergbauer Rees Gwerder. Erst relativ spät, mit 52 Jahren, konnte man ihn zu Tonaufnahmen überreden. In der Folge erschienen viele verschiedene Singles, LP‘s, Kassetten und CD-Produktionen auf den Labels EMI-Columbia, Tell Record, Örgelihuus, Corema Records und CSR Records. In seinen frühen Jahren spielte Gwerder mit unzähligen Partnern wie Paul Suter („dr Fruttler“), Thomas Marthaler, Josef Gwerder („dr Fäätzel“), Sepp Ambühl. Später waren auch jüngere Begleiter an seiner Seite: Paul Lüönd, Seebi Schmidig, Peter Ott und andere. Aber am besten im Duett spielte er schliesslich mit dem Walchwiler Ludi Hürlimann als Spielpartner, seinem Nachbarn auf dem Arther Gängigerberg. Dieses Gespann wurde zum klassischen Duo. Bei ihren grössten Erfolgen wurden sie am Bass von Dominik Marty („Sity-Domini“) aus Schwyz begleitet. Seinen grössten „Hit“ landete Gwerder mit dem Tanz „Echo vom Geisshimmel“.

Urchig wie duezmal

Auf dem SCHWING Label der Zürcher Schallplattenfirma CSR Records sind seit 1991 vier Produktionen erschienen, die dem „Eigeler“ gewidmet sind. Die beiden Veröffentlichungen mit den Titeln „Ä g‘hörige Schnupf“ und „Urchig wie duezmal“ wurden in Rees Gwerders Stube in seinem Heimet auf dem Gängigerberg aufgenommen und bestechen durch ihre ungefilterte Urtümlichkeit. 1995 ist die zweiteilige Rees-Gwerder-Anthologie früherer Studio-Aufnahmen erschienen: „Mer meint äs chönnt nüd sy“ und „s‘isch we‘s isch“.

Das Herzstück der jüngsten CD/MC „Tänz us em Geisshimmel“ ist - nebst zwei bisher unveröffentlichten Einspielungen - Toningenieur W.A. Wettlers legendäre Aufzeichnung „Live im Restaurant Rietberg“ in Zürich von 1972. Mit dieser neuesten Zusammenstellung verschiedener Archivaufnahmen (EMI-Columbia: 1964-1986) sind nun wieder sämtliche Rees-Tänze auf Tonträger erhältlich. (TA)

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