Hat da jemand gejodelt?

von Albert Kuhn für 'Beobachter'  24. Juni 1994

Gehört, gesehen, gelesen: Christine Lauterburg,  Sängerin und Schauspielerin, hat eine Jodelplatte herausgegeben, die sich gewaschen hat. Mit Hip-Hop und Techno nämlich. Einige Profi-Sennen hat es das Käppi glupft.

Niemand erwartet vom Jodel, dass er sich weiterentwickle. Da  verböge  sich die Bundesverfassung, da sträubten sich die Firne, da säuerte die Milch im unschuldigen Euter. Doch Obacht: Die Quadratmeter, auf denen sich ein Jodel nach Schema F überhaupt noch vorstellen lässt, schwinden täglich und stündlich. Bis 1999 werden gerade noch die Bühnen der eidgenössischen Jodelfeste überbleiben.

Aber nein! Da kommt eine Jodlerin aus Bern-Stadt, die bereits dafür berüchtigt ist, an nicht dafür bestimmten Orten zu jodeln – etwa im Film, in Kleintheatern, zur elektrischen Gitarre oder gar in Afrika. Und unternimmt in ihrer ersten, grossen Stereo-CD-Produktion  den subventionierungswürdigen Versuch, unsere national geschützten Kehllaute der schlechtesten Jugend aller Zeiten beliebt zu machen: der heutigen. Umdonnert und umrauscht von Hip-Hop-Beats und Technogeblubber,  singt Christine Lauterburg 19 Lieder der heimeligen Art und jodelt überzeugend in den glockenhellsten Tönen.

Und wie reagiert die eidgenössische Volksmusikverwaltung auf die unerwartete Hilfe? Auf gut schweizerisch mit „ja, aber“. 

Peter Zinsli verspricht, Auszüge aus der Platte auf Radio Eviva vorzustellen. Hackbrettler Walter Alder findet die Mischung interessant. Sepp Trütsch bekennt, das Projekt irgendwie zu mögen. Und Volksmusik-Zentralpräsident Peter Fässler gesteht der Lauterburg Mut zu. Auch Wysel Gyr sind die Lauterburg-Jodel  gut bekommen: „Das ist mit offensichtlicher Fröhlichkeit gesungen, das ist nicht irgend ein  Luftibusprojekt.“

„Eingriff in Jodeltradition“

Und jetzt das Aber. Fässler kann sich die Lauterburg nicht „an unseren Jodelfesten“ vorstellen. Jodelpapst Adolf Stähli hört auf de CD „Echo der Zeit“ eine „Sauerei, einen hässlichen Eingriff in unsere Jodeltradition“. Sepp Trütsch will Frau Lauterburg nicht zum TV-Plausch einladen, Jodel seien Wysels Revier. Und dieser sagt: Eine traditionelle Volksmusiksendung ist nicht der Ort dafür. Ich fürchte, die CD fällt zwischen Stuhl und Bank. Schade. „Achselzucken auch in Technokreisen: „Mutig, diese Platte. Aber kein Sound für unsere Partys.“

Fragt sich bloss, wer  innerhalb von zwei Tagen die ganze erste CD-Auflage gekauft hat. Es gibt offenbar mehr Amateure zwischen  Melkstuhl und Telebanking, als die Musikprofis denken.

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