Alte Garde

Von Silvano Cerutti für, 20 Minuten week 23. 11. 2006

Und plötzlich stehen sie wieder im Rampenlicht: Die Tüftler des Schweizer Rockschaffens.

Das Bild ist fast schon symbolisch. Dominique Grandjean trägt ein Hemd unter dem wollenen Pullover und wirkt auf den ersten Blick gutbürgerlich. Doch die Fassade täuscht. Nicht nur weil dem 60-jährigen Psychiater der Schalk im Nacken sitzt. Grandjean hat als Taxi einen der grössten und langlebigsten Hits der Schweizer Popgeschichte geschrieben. Die Swiss hat nun endlich das naheliegende getan – und mit dem Song «Campari Soda» einen Werbeclip gedreht.

Praktisch zeitgleich sind die Metaller von Celtic Frost für einen Grammy (den Musik-Oscar) als beste Liveband nominiert. Die Industrial-Tüftler The Young Gods gehen mit einem Akustik-Programm auf Tour. Und das hoch erfolgreiche Gotan Project wartet mit seinem dritten Streich auf. Gemeinsam ist allen die Liebe zur Tüftelei. Celtic Frost entwarfen in den frühen Achtzigern noch vor dem ersten Ton eine ganze Platten-Trilogie. Die Young Gods bastelten Ende der Achtziger mit primitiven Samplern Kürzestschnipsel zu knallenden Songs. Christoph Müller landete 1987 mit Touch El Arab und geschickter Studioarbeit den Hit «Muamar». Und Taxi – hat es eigentlich nie gegeben.

«Ich schrieb die Songs und suchte mir dann Musiker. Ich wollte einfach hören, wie die Lieder klingen, wenn sie in einem Studio anständig aufgenommen werden», erzählt Grandjean, der damals im Burghölzli arbeitete. Um dem Projekt einen Namen zu geben, nannte man das Taxi. Doch ohne Auftritte schien die Platte ihren Titel zur selbsterfüllenden Prophezeiung zu machen: «Es isch als gäbs mich nüme me».

600 LPs liess Grandjean damals herstellen und vertrieb sie selbst. Trotzdem ging Campari Soda nicht in Vergessenheit. Dem bricoleur, wie er sich selber nennt, war ein Wurf gelungen. «Ich habe keine Musikschule besucht, kann kein Instrument richtig und kaum Noten lesen», erklärt der Zürcher. Das hielt ihn weder davon ab, sich Saxophon und Klavier beizubringen, noch Songs zu schreiben. «Von Punk hatte ich damals noch nichts gehört. Aber es zeigt halt, dass 1976 auch Amateuren grünes Licht gegeben wurde, dass Punk nur die grellste Variante von einer Aufbruchstimmung war, die schon etwas früher in der Luft lag.»

Er habe sich oft gefragt, was das spezielle des Songs sei. Vor etwa einem Jahr, habe er ihn sich zum letzten Mal angehört. Er könne gar nicht glauben, dass er das selbst gesungen habe. Eins aber ist Grandjean klar: «Das Spezielle an einem Flugzeug ist ja, dass es etwas entrückt ist, irgendwo zwischen Himmel und Erde. Dieses Gefühl habe ich immer etwas angestrebt, mit Hertz später fast noch mehr und heute sowieso. Drum kann man in den Song allerhand hinein interpretieren. Es hat viel Platz zwischen Himmel und Erde.»

Ab 1977 irritierte Grandjean die Punks mit kühlem New Wave und betont nüchternen Texten (die Retrospektive «eine Auswahl» seiner Band Hertz erschien 2002). Und selbstverständlich arbeitete er weiter als Psychiater. Celtic Frost, Christoph Müller und The Young Gods liessen sich im ersten Abschnitt ihrer Karrieren von der Welt entdecken – und melden sich nun zurück. Grandjean? Ist bis heute fasziniert von der innovativen und anregenden Welt der Psychiatrie. «Aber seit drei Jahren sind wir mit Hertz wieder am üben. Nächstes Jahr wird es sogar Auftritte geben.» Der Bastler lässt das Tüfteln nicht.

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