Rees Gwerder zum 80. Geburtstag

von Cyrill Schläpfer für 'Schweizer Musiker Revue' vom Juli 1991

 

Zu feiern gibt es viel, wenn man 80 Jahre alt wird. Noch mehr zu feiern gibt es, wenn man dazu als hochgeschätzter Schwyzerörgeler noch eine neue Platte tauft, wie dies Rees Gwerder am 24. Juli im Restaurant Sternen in Arth (Kanton Schwyz) tun wird.

Rees Gwerders Heimet auf dem Gängigerberg ob Arth liegt weit oben über dem Zugersee und ist nur über eine steile Strasse voller Schlaglöcher zu erreichen, die sich bei Gewitter in ein beinahe unüberwindliches Hindernis verwandeln kann. Sein Briefkasten ist an einem Pfosten oben am Strassenrand montiert. Die von Sturm und Sonne verwitterte Anschrift lautet schlicht REES.

Kaum jemals sieht man Rees ohne seine chrumme Brissago, die neben dem Örgeli sein zweites Markenzeichen geworden ist. Seinen geliebten Glimmstengel nimmt er scheinbar nur aus dem Mundwinkel, um sich „ä g‘hörige Schnupf“ in die Nase zu ziehen.

Bei Rees in der Stube

„Ä g‘hörige Schnupf“ ist auch der Titel der neuen CD und MC, die Rees seinen Fans zu seinem achtzigsten Geburtstag schenkt. Die Aufnahmen zu diesem Album wurden in der Stube von Rees‘ Heimet, unbeeinflusst von störender Studioatmosphäre und fremder Umgebung digital eingespielt, um seine urtümliche Spielweise möglichst authentisch einzufangen. Die Hörer sollen das Gefühl haben, bei Rees in der Stube zu sitzen, wenn sie das Album anhören.

Und tatsächlich strahlt diese Stube eine eindrückliche Atmosphäre aus, mit all den Heiligenbildern und Goldchränz von Volksmusikwettspielen an den Wänden, als uns Rees aus seinem Leben erzählt: Schon seine Grossmutter sei aus einer musikalischen Familie gekommen und sein Vater habe ein Schwyzerörgeli besessen, eine Robert-Iten-Orgel aus dem Jahre 1888. Darauf habe er schon als fünfjähriger zu spielen begonnen, aber der Vater habe das gar nicht gemocht. Er habe ihm auch nie etwas vorgezeigt, sondern nur gesagt: „Chasch sälber lehre, ich han au müesse“. Uns so hat sich Rees all die Stücke seines riesigen Repertoires selbst beigebracht.

Zu den grössten Vorbilder von Rees gehörten: Anton Langenegger, nach seinem Heimet „Egg“ auch als „Egg-Basch“ bekannt, Lienhart Betschart mit dem Übernamen „dr Lieneler“, Alois Suter auch „dr Lisabetheler“ genannt und natürlich sein Vater. Allesamt waren sie Schwyzerörgelipioniere im Muotatal, von denen Rees unzählige Tänzli „nachezoge het“, wie es im Fachjargon heisst. Von ihnen hat Rees auch den urtümlichen musikalischen Ausdruck übernommen, der sein Spiel bis heute auszeichnet.

„In Grind inebiget“

Eindrücklich ist seine Beschreibung, wie er die Tänzli gelernt hatte: Wann immer er Zeit fand, habe er sein Schwyzerörgeli hervorgeholt, um darauf zu üben. Kaum eine Gelegenheit habe er versäumt, seinen Vorbildern beim öffentlichen Musizieren zuzuhören. Er habe dann draussen beim offenen Fenster gelauscht und versucht, sich die Melodie einzuprägen. Darauf sei er „schnurstracks“  nach Hause gerannt und habe sich das Tänzli „in Grind inebiget“.  Und es hat viel Platz in diesem „Grind“; mit schlafwandlerischer Sicherheit beherrscht unsere „wandelnde Musikbox“, wie Rees von guten Freunden auch genannt wird, unzählige alte Tänzli, die durch den Umstand, dass er sie „nachezoge het“, bis in die heutige Zeit lebendig erhalten blieben.

Dafür und für all die schönen Stunden, die er als Musiker seinen Zuhörern bereitet hat, ist ihm unser Dank gewiss, dem wir die besten Wünsche zu seinem Achtzigsten anschliessen wollen.
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